24. Sept. - 1. Okt. 2009

 

Architekt der Bilder: Douglas Sirk Preis an Atom Egoyan

Hamburg, den 27.09.2008


Es ist dieses eine unvergessliche Bild, das es in jedem Film von Atom Egoyan gibt. In „Der Sch�tzer“ (1991) ist es das Bild des Bogensch�tzen, der aus dem Fenster seines Zimmers auf die Reklametafeln gegen�ber schie�t. Mitten im Neubaugebiet. Der 48-j�hrige kanadische Regisseur Atom Egoyan gilt als Architekt eigenartig abstrakter Bilderwelten, die in der Tradition eines David Lynchs stehen. Er ist ein Kopf-Regisseur, der mit gedanklicher Brillanz filigrane Netze zwischen Zeitebenen, Figuren, Beziehungen spinnt. Das ist nicht immer leicht verst�ndlich und will es auch nicht sein: Atom Egoyans neun Kinofilme sind stets R�tsel, erschlie�en sich h�ufig erst nach wiederholtem Sehen. Doch es gibt in jedem Film dieses eine Bild. Was in „Der Sch�tzer“ das Bild des Bogensch�tzen, ist in „Das s��e Jenseits“ (1997) das Bild vom gelben Schulbus, der dem Tod seiner jungen Insassen entgegenf�hrt - und in seinem neusten Film „Adoration“ das Bild einer tief verschleierten arabischen Frau, die vor der Weihnachtsdekoration eines kanadischen Vororthauses auftaucht.

Egoyans Biografie selbst l�sst im Kopf Bilder von eindringlicher Klarheit entstehen. Geboren 1960 in Kairo als Sohn armenischer Eltern, die ihm seinen Vornamen geben, weil das erste �gyptische Atomkraftwerk zur selben Zeit ans Netz geht. Ein anderes Bild k�nnte sein, wie der Student, dessen Familie 1964 nach Kanada emigriert und der sich f�r Politik und klassische Gitarre an der Universit�t einschreibt, nach einem ersten Kurzfilm pl�tzlich wei�, dass er Filme machen will. Noch ein Bild: Auf dem Festival in Montreal 1987 ist Wim Wenders von Egoyans dritten Film „Familienbilder“ so beeindruckt, dass er seinen Preis, den er f�r „Himmel �ber Berlin“ erh�lt, dem jungen kanadischen Kollegen widmet. Egoyan, dessen Frau Arsin�e Khanjian in jedem seiner Filme spielt, inszeniert h�ufig kontr�re Geschichten, die in kein Schema passen. So widmet er sich in „Ararat“ (2004) dem V�lker- mord an �ber einer Million Armeniern in den Jahren 1915/16 und seziert als N�chstes in „Wahre L�gen“ (2005) die zynische Weltsicht eines Entertainer-Duos aus den 50er-Jahren. Seine Themen, mit unaufdringlich politischem Bewusstsein entwickelt, sind Verlust, Entfremdung, Einsamkeit, Trauer und - immer wieder Trost. In all den Zweifeln und Fragen taucht stets eine Figur wie die unschuldige Busfahrerin aus „Das s��e Jenseits“ auf, an der man sich festhalten kann. In „Adoration“ steht die Selbstentfremdung des Menschen in einer von Post-9/11-Traumata gepr�gten und digital beeinflussten Welt im Vordergrund. Dass seine Helden immer ein paar Grad k�hler zu sein scheinen als sonst im Kino �blich, verleiht allen Egoyan-Filmen diese so dringend notwendige Distanz, die Unfassbares ertr�glich macht. Beispielsweise die Vorstellung, dass, wie in „Adoration“, ein Mann seiner schwangeren Freundin eine Bombe ins Handgep�ck schmuggelt.

M�gen seine Filme als kompliziert gelten, Egoyan selbst n�hert sich seinen Themen mit menschlicher Gradlinigkeit. Er hat einmal gesagt: „Es ist einfacher, die eher theoretischen Aspekte meines Werkes zu diskutieren, denn auf einer emotionellen Ebene sind die Fragen fast peinlich einfach… Warum brauchen wir die anderen? Wie brauchen wir die anderen? Was m�ssen wir tun, um Liebe zu erringen? Was k�nnen wir aufrichtig von uns selbst geben, wenn wir nicht wissen, wer wir wirklich sind?“ Womit wir bei einem letzten Bild sind. Das Bild des Regisseurs, der so auf die Welt und die Menschen blickt wie K�nstler aller Zeiten auf die Welt geblickt haben: skeptisch, neugierig, kritisch, besorgt und - hoffnungsvoll. Silke Sch�tze

DER DOUGLAS-SIRK-PREIS wird am 27. September um 19:45 Uhr im CinemaxX anl�sslich der Deutschlandpremiere von „Adoration“ verliehen.

Das Metropolis Kino im Savoy wirft mit einem Fokus auf das Fr�hwerk und Highlights der letzten Jahre einen weiteren Blick auf das umfangreiche Werk des renommierten kanadischen Autorenfilmers. Ab 1.10. k�nnen Sie dort f�nf Filme von 1984 bis 1994 im Original mit deutschen Untertiteln sehen. Darunter auch der Oscar nominierte Film „Das s��e Jenseits“ und der Film, der Wim Wenders so beeindruckte „Familie Viewing“.